Heide, Heimat, Abenteuer

Eine halbherzige Entschuldigung für die folgenden Buchempfehlungen, zunächst für die pauschale Empfehlung von Büchern eines Jägers, Naturschützers, Natur- und Heimatdichters:

Hermann Löns (1866 – 1914)

Ja, ja, Löns gilt als Heide-Dichter und Heimatschriftsteller mit nationalistischen Anklängen. Blut-und-Boden-Literatur, Kitsch – passt gar nicht ins Heute und zum Morgen; da könnte gleich gefragt werden, was ich im September 2017 wähle…
Aber: wahrscheinlich sind seine Bücher und Gedichte nie wieder wirklich gelesen worden. Allein die Verwendung von kaum bekanntem Vokabular der Jägersprache oder die Bildkraft seiner Natur- und Landschaftsschilderungen empfinde ich wie einen Leuchtturm gegen unsere verarmte, weitgehend nur noch technokratische und ökonomisierte Sprache. Antisemitisch? Beni Benjamin, der in diese Heide gehörende Arzt aus dem Roman “Das zweite Gesicht” drückt dem “Helden” die Augen zu. Nichts mehr, kein christlicher Beistand. Ein genaues Bild der vor 1900 geborenen Menschen, wie ich sie noch erlebt habe.

Tucheler Heide, von der Brahe aus
Tucheler Heide, von der Brahe aus, Juli 2017

Im Juli 2017 bin ich mit Kajak auf der Brda (Brahe) durch eines der größten Wald- und Heidegebiete nicht nur Polens, sondern ganz Mitteleuropas gewandert: auf und an der Brda durch den Nationalpark Bory Tucholskie (Tucheler Heide), in welcher Gegend Löns aufgewachsen ist.

 

Noch einer, der oft nur heimlich gemocht wird:

Karl May (geb.1842 in Ernstthal; gest. 1912 in Radebeul)

Die regionale Nähe hat Bedeutung: in der DDR bis in die achtziger Jahre verboten, standen die Werke vor 1945 wohl in jedem Bücherregal von Berlin bis Breslau. Mit 8 Jahren konnte ich während eines Bautzen-Besuches in einer holzgetäfelten, dunklen Diele die Winnetou-Bände verschlingen – damals mit großzügigen Auslassungen. Dazu gab es in einem unvergesslichen, mindestens zweistöckigen Jugendstilkaufhaus detailliert ausgearbeitete Indianerfiguren mit scharf geschnittenen Nasen, Kostenpunkt vom Häuptling auf Pferd ca. 2.50 DDR-Mark. Ein Vermögen, das erst die Generation Golf kaputt gespielt hat. Die späteren Masse-Indianer waren in den Konturen enttäuschend breit geflossen.
Die Sächsische Schweiz dürfte Pate gestanden haben für die Kulisse dieser Indianerbücher.

Indianerspiel, 50er Jahre in der DDR
Meine geliebten Indianer gegen ungeliebte Weiße, meine 50er Jahre in der DDR

Karl May: der sächsische Hochstapler, Betrüger, Dieb aus dem Zuchthaus, als Schriftsteller der gefährliche Jugendverderber… Ja, es ist wohl so, dass seine wilhelministischen Leser begeistert in zwei Kriege getrieben und ganze Familien ausgelöscht wurden. Ich weiß nicht, wie sie Karl May gelesen haben, jedenfalls nicht wie Albert Einstein, nicht wie Ernst Bloch, nicht wie Arno Schmidt.

Mir wurde in frühen Jugendjahren aus damals pädagogischer Sicht mitgeteilt: „Sie sind renitent.“ Was bin ich? In meinem Umfeld gab es kein Wörterbuch. Ich hab wohlweislich nirgends nachgefragt und das unauslöschlich eingeprägte Wort erst in Leipzig während der Studienzeit nachgeschlagen.

Vielleicht war/ist doch Karl May schuld – an allem.

Und Überraschung: ich bin am 6.12.2017 auf den Spuren von Karl Mays Erzählungen gewandert!
Auch hier war er zumindest in der Phantasie und ich live.