Rund um die “Krone des Erzgebirges”

Zwei Wanderungen mit Wolfgang Pagel und dem WSV Rotation Berlin am 10. und 11. März unter dem Motto
“Frühlingserwachen im Sternmühlentag”

Schloss Augustusburg

Seitliches Tor
Seitliches Tor
Alte Mauer von Schloss Augustusburg
Alte Mauer von Schloss Augustusburg

Eine Bahnanreise von Berlin nach Augustusburg hat ihre Tücken. Davon schweige ich und belasse auch anderes als nicht meine, sondern die Bürden eines Wanderleiters. Alles ist buchbar in und auf dem nigelnagelneu restaurierten Schloss Augustusburg und alles findet sich in diesem prächtigen Bilderbuchzustand als Foto. Weithin und aus allen Richtungen sichtbar schimmert und glänzt nun der imposante Renaissancebau im Morgendunst ebenso wie in der Mittagssonne oder des Nachts wirklich als Krone auf seinem Vulkankegel. Trotzdem, etwas nostalgisch denke ich an meinen ersten Besuch 1967 auf dem freilich herunter gekommenen Schloss, an die noch vorhandene Präparatorenwerkstatt, die gerade erst sichtbar gewordenen Hasen des Dresdner Hofmalers Heinrich Göding – hauchzart und eher transparent über dem Putz liegend. Einige Gemächer sind immer noch in Arbeit, letzte Spuren, schwindende Historie…
Restaurierung kann nur annäherungsweise sein. Überaus authentisch und gruselnd in jedem Fall das technische Meisterwerk des Schlossbrunnens, auch wenn das Wasser anstatt herauf gezogen nur hinein geschüttet wird.

 

Zum Kunnerstein und ins Sternmühlental

Blick vom Kunnerstein
Blick vom Kunnerstein
Zschopau und Bahngleise
Zschopau und Bahngleise

Das Können der erzgebirgischen Bergleute hat die Landschaft geprägt. Technische Denkmale wie Brunnen und Schächte, Brücken und Uferbefestigungen begegnen dem Wanderer im Erzgebirge häufig. Auch die Standseilbahn Erdmannsdorf – Augustusburg zählt zu diesen Attraktionen – ansonsten läuft man 2 km mit 240 Höhenmetern auf- oder abwärts zur Burg*.

Wir laufen. Vom Schloss aus geht es perfekt abgesichert am bewaldeten Südhang des Schellenberges zum Kunnerstein mit Blockhüttenveranda, Höhle und Ausblick auf das Zschopautal (richtiger wohl Zschopental). Der Fluss windet sich weitgehend natürlich und mit wildem Wasser entlang der Bahnstrecke und Straße.

 

Überdachte Holzbrücke Hennersdorf
Überdachte Holzbrücke Hennersdorf, erbaut 1840
Holzbrücke über die Flöha bei Hohenfichte
Holzbrücke über die Flöha bei Hohenfichte – eigentlich erst vorbei gekommen während der 2. Wanderung.
Große Frage: Welchen Zweck hat der Betonpfeiler neben dem alten Mäuerchen?

Spuren des Bergbaues sind immer noch zu finden. Am Berghang vom tief gelegenen, lieblichen Sternmühlental findet sich ein Mundloch zum Augusta Stolln, bezeugt als Winterquartier für Fledermäuse. Dass diese nun beneidenswert an Silber oder Gold hängen, kann eindeutig verneint werden. Gefunden wurde ein graphitähnlicher Ton, der gerade einmal zum Schmieren der Chemnitzer Spinnmaschinen taugte. Insofern ist der weibliche (kaiserliche) Name weder für feministische Statistiken noch die gegenwärtig auflebenden Debatten zu gebrauchen. Nach Gold wurde zwischen 1576 und 1597 und noch einmal 1717 erfolgreich in den fließenden Gewässern des nahe gelegenen Euba geschürft. Zwischenzeitlich dürfte da einiges wieder an die Oberfläche gekommen sein!
Aber gegen Mittag beginnt die Gruppe sportlich schnell zu werden – warum wohl… Irgendwo greife ich wenigstens einen der silbrig glänzenden Phyllitsteine, der sicher mehr nach Erz aussieht als es so direkt aus der Erde je Silber oder Gold könnten.
Letztlich ist alles bis hin zu den riesigen, alten Steinbrüchen längst wieder bewaldet. Höchstens an Straßen- und Wegrändern oder unter entwurzelten Bäumen tritt noch Gestein zu Tage.

Augusta-Stolln
Bergbauspuren: Mundloch zum Augusta-Stolln
Phyllitschiefer, der Muskovitanteil ezeugt den seidenartigen Glanz
Phyllitschiefer, der Muskovitanteil ezeugt den seidenartigen Glanz. Unten rechts, nicht schiefrige Bruchfläche: Quarz.
Gestein im Stadium der Verwitterung
Gestein im Stadium der Verwitterung, die Schieferung ist noch zu erkennen
Der Schwarzbach im Sternmühlental
Der Schwarzbach im Sternmühlental
Brücke zur Sternmühle
Brücke zur Sternmühle. Es war ein Baum und nicht dieser Winter!

 

Der weiße Wolf vom Adelsberg

In Höhe der namensgebenden, pikobello Sternmühle wechselt der Weg über den Schwarzbach und das Tal hinweg in den Schwarzwald. Es lohnt nicht, hier dem Holländer-Michel oder dem Glasmännlein nachzuspüren. Ohne weitere Waldesblicke zu verschwenden, stimuliert das mittägliche Hungergefühl die schlaffen Glieder – vielleicht sogar auf einem Teilstück des Alten Böhmischen Steigs – zur → Ausflugsgaststätte Adelsbergturm. 508m liegt der Turm hoch, kaum 100 Höhenmeter werden es gewesen sein. „Waidmanns Dank“ kann hier entrichtet werden in Gestalt von feinem Wildgulasch mit in Butter und Mandelsplittern geschwenktem Rosenkohl und hausgemachten Semmelknödeln, serviert zwischen Borstenviehschwarte, Elchkuhbalg und Geweihtrophäen. Einzig die Jagd auf den weißen Wolf hinterließ kein Fell. Sie war stets misslungen, bis der kinderliebe Weiße als Retter vor einem umher streifenden grauen Wolfsrudel sein Gnadenfleisch verdient hatte. Bis heute steht für seinen Nachkommen eine Schüssel bereit. Das aber ist eine der vielen Geschichten vom Adelsberg, die wie manches Geheimnisvolle, das der Jagd- und Kampfestradition anhaftet nicht jedem behagt und mancher verdrängt oder bezweifelt – aus welchen Gründen auch immer.

Der weiße Wolf vom Adelsberg
Der weiße Wolf vom Adelsberg

 

In der Gegenwart durch die Vergangenheit

Zurück nach Schloss Augustusburg geht es über viel freies Feld in kaltem Wind. Die Dörfer haben ihren erzgebirgischen, bescheidenen Charakter weitgehend abgelegt und die Baumärkte haben verdient. Ein alter Hof erinnert mich an → Clara Mosch. So etwa sah es damals aus – oder doch größer? Verkehrte Hasenwelt. Auch Besitz kann lästig sein. Anderenorts stehen von den einst mächtigen Fabriken nur noch Hüllen. An den Flüssen sind vor allem die verfallenden Brettmühlen, Öl- und Mahlmühlen zu entdecken und jetzt ringsum vereist.

Gehöft im Chemnitzer Land
Gehöft im Chemnitzer Land
Mühlen aller Art, jetzt verfallen
Mühlen aller Art, jetzt verfallen
Vereist
Vereist
Der Wassergraben deutet an: auch das könnte eine Mühle gewesen sein
Der Wassergraben deutet an: auch das könnte eine Mühle gewesen sein
An der Flöha-Brücke Erdmannsdorf
An der Flöha-Brücke Erdmannsdorf – noch träumt das Haus…
Das Erbe war sicher in dieser Gegend klein und reicht eben nicht über den Tellerrand
Das Erbe war sicher in dieser Gegend klein und reicht eben nicht über den Tellerrand
Das sozialistisch enterbte Erbe
Das sozialistisch enterbte Erbe. Die Jugend geht – egal wie – immer dahin… (mit kollektivem Dank als Erinnerung für H.Otto)
Das große und das kleine Erbe
Das große und das kleine Erbe

Es sieht nach Krieg aus – oder DDR und Heimat?, ist aber Globalisierung oder irgendetwas in dieser Art. Man lebt jetzt von touristischen Aktivitäten, also der Philosophie des sächsischen Kurfürsten hinterher: auch Schloss Augustusburg wurde ja nur nach Lust und Laune genutzt. “Biker willkommen”. „Wanderwege anspruchsvoll, besonders fürs Rad“ lese ich. Das mag sein. Dem Fußwanderer beweist sich der Mittelgebirgscharakter eher dem Auge als den Beinen. Die Länge der Natur belassenen Strecken ist auf Verdauungsspaziergang ausgelegt. Variantenreich, jenseits von Beton, Split und breiten Forstwegen funktioniert wenig.
Wir aber haben am Ende 31 km mit je 900 auf- und absteigenden Höhenmetern geschafft und mit Sicherheit an diesem Tag einen erzgebirgischen Wanderlatschen verdient – sofern der irgendwo als Anhängerchen zu erwerben wäre.

Der Wanderlatsch
Der Wanderlatsch

 

Die Hetzdorfer Schweiz und der Eisenbahnviadukt

Da kein Winter mehr, aber auch kein Hauch des erhofften Frühlings, stauben die Waldwege trocken laubbraun sofern sie nicht zerfahren und steingrau gefroren sind. Die nachts sichtbar gewesenen Schneereste waren versprengter Kanonenschnee von der Rodelbahn.
Die zweite Wanderung geht flott vonstatten mit 19 Kilometern und je 400 auf-und absteigenden Höhenmetern. Im Tal der Flöha und der Großen Lößnitz entlang geht es auf einen Höhenweg der Hetzdorfer Schweiz, die sich auch mit einem “Bastei”-Felsen schmückt. Von dort ist der Ausblick auf den → Hetzdorfer Viadukt zu genießen, einst Eisenbahnbrücke einer Fernverbindung Schlesien – Süddeutschland, seit einigen Jahren begehbar. Wieder also überstrahlt die alte Technik, diesmal die Steinmetz- und Brückenbaukunst alles: das Naturabenteuer steht in dieser Gegend einfach nicht an erster Stelle.

Höhenweg über dem Fluss
Höhenweg über dem Fluss
Eisenbahnbrücke über die Flöha zwischen Leubsdorf und Hohenfichte
Eisenbahnbrücke über die Flöha zwischen Leubsdorf und Hohenfichte
Ufermauer an der Flöha, Richtung Hetzdorfer Schweiz und Viadukt
Ufermauer an der Flöha, Richtung Hetzdorfer Schweiz und Viadukt
Hetzdorfer Viadukt von der Bastei der Hetzdorfer Schweiz gesehen
Hetzdorfer Viadukt von der Bastei der Hetzdorfer Schweiz gesehen
Am Fuß des Schellenberges, das Schloss Augustusburg schimmert durch die Bäume
Am Fuß des Schellenberges, das Schloss Augustusburg schimmert durch die Bäume (auf dem Foto nicht zu erkennen)

Vom Abschiedsschlemmen berichte ich nicht, obwohl die Erinnerung an die kulinarischen Exzesse des kurfürstlichen Sachsen in und um Augustusburg offensichtlich jetzt maßvoll und doch höchst kultiviert weiterleben. Da heißt es: selbst den Kuchen probieren!

Foto W.Pagel
Danke für dieses Foto!

* Tracks und Höhenmeter sowie eine Fotodokumentation stellt W.Pagel, WSV Rotation, seinen Mitwanderern stets zur Verfügung.

Zu diesen beiden Wanderungen gibt es zwei Exkurse:
Das Liebesleben der Natur
Das Ende der Eiszeit oder der Klang vom Großen Tauen