Von heut auf morgen

20. / 21. März 2018 zwischen Schneegestöber und Tauwetter und am 22. März ein Mix aus beiden
Zwei superkurze Brandenburger Wanderungen zum kalendarischen Frühlingsbeginn plus an die 20 km geborgte Landschaft

Noch einmal das Glück!
20. März: Noch einmal winterliches Glück!
Hohlweg
Hohlweg

Eine Stunde im Neuschnee. Rings um mich ein griesegrauer Schneevorhang. Etwa 10 Zentimeter hoch liegt der Schnee. Totenstille. Nirgends eine Spur. Die Tiere halten sich versteckt. Wer weiß, wie nah ich an ihnen vorbei gehe. Zum Aufspringen oder zum Auffliegen gibt es keinen Anlass – all das würde mehr verraten als das stille Ausharren. Meine Schuhe sind durchweicht (es braucht wohl neue…). Ich drehe um und fahre heim.

 

21. März

Zwei Stunden laufe ich über jämmerliche Schneereste von gestern. Doch, DAS ist schon Frühlingsluft. Noch ist der Boden gefroren. Es läuft sich überall gut, trotz der Pfützen. Auf den Wegen könnte es so nah an der Stadt Potsdam sogar ab und zu Begegnungen geben. Aber rings um den Brauhausberg und auf dem Telegrafenberg schlängeln sich zahlreiche kleine Pfade. Es ist zwischen dem kleinteiligen Hoch und Runter und so vielem Holz nicht schwierig, unsichtbar zu bleiben.

Einsteinturm Potsdam
Einsteinturm Potsdam, 1919- 22 erbaut als Observatorium, Architekt: Erich Mendelsohn
Brauhausberg
Berg und Tal in Miniformat
Abenteuer Wald
Abenteuer Wald

Dann plötzlich eine Plattform auf Baumstämmen – wie ein indianisches Holzgerüst, um am Ende des Lebens das letzte Ritual in der Stille der Natur zu vollziehen. Auch wenn dieses Lager nur dafür da wäre, um an einigen Stunden des Tages der Sonne näher zu sein: da oben auf den Holzplanken trägt mit Sicherheit das Gefühl einer unmittelbaren Zugehörigkeit zu mehr als der alltäglichen Virulenz und Hektik über alle Gedanken und auch über den Tod hinweg. Und eigenartig endet meine Wanderung an der sich unendlich lang ziehenden Mauer vom Neuen Potsdamer Friedhof. Vor dem Tor eine sich versammelnde Trauergemeinde in kleinen Grüppchen. Die Straßenbahnen brausen vorbei. Dies und das, Wege, Grabkreuze. Ich schaue hoch in Immergrün und durch knorrige Äste in das Himmelslicht. Mit Sicherheit sterben wir in der Gegenwart viel zu beiläufig. Die Friedhofsgasse aus Richtung Bahnhof führt ganz folgerichtig vorbei am Alten zum Neuen Friedhof direkt zum Kletterwald und Abenteuerpark Potsdam.

Rettung, Schlaf, Tod
Rettung, Schlaf, Tod
Ewigkeit Grün
Hoffnung Ewigkeit

 

22. März

Für mich fließen diese drei Tage und meine Wanderungen ineinander (zum heutigen → world water day, wenn schon kein Gewässer, so doch das richtige Verb :))). Schneegestöber, Sonne und tauender Schnee, Überschwemmungen auf den Feldern. Schon wieder fliegt ein grauweißes, nasses Schneegegriesel über alles hinweg. Es ist als würden mir die Hände abfallen im eisigen Wind. Ich fotografiere nichts als die Schwäne.
Von der Eigentümerin eines in neuem Glanz erstrahlenden Herrenhauses ist zu erfahren: alles was zu sehen ist vom eigenen Haus aus, aber nicht zum Grundstück gehört, wird “geborgte Landschaft” genannt.
Ich gehe über geborgtes Land.
Ich schaue in geborgten Wald.
Ich kaue geborgte, → goldgelbe Zitterlinge, ziemlich geschrumpft auf geborgtem Totholz.
Und Gott schaut wohl verwundert über seine, ihm nur noch geborgte Welt (falls überhaupt – wenigstens ab und zu – ihm das Borgen gestattet wird).

Die Schwäne über dem Feld
Die Schwäne über dem geborgten Feld

 

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