Bruch, Rosdunk und Zingelheide

8. November 2018, knappe 15 km durch das Bruch zwischen Brandenburg, Göttin und Schmerzke, entlang am Bruchwald Rosdunk und durch die Zingelheide zurück

Siedlungsgebiet Stadt Brandenburg

Brandenburg an der Havel, Bahnübergang Richtung Bruch
Brandenburg an der Havel, Bahnübergang Richtung Bruch

Richtung Schmerzker Busch (Zingelheide) führt erst einmal nur Autostraße. Entgegengesetzt Richtung Göttin bin ich vor ewig langer Zeit einmal gegangen. “Ewig” bezieht sich in der Erinnerung auch auf den Weg entlang der zersiedelnden Kleingartenhäuslebauten. Mal sehn.

Letzte Spuren der Vergangenheit
Letzte Spuren der Vergangenheit

Auf der vergessenen, südlichen Bahnhofsseite gehen alt und neu, klein und groß, arm und reich, einheimisch und zugezogen durcheinander. Aber es wird. Vielleicht bald mehr als gewünscht in der ländlichen Idylle, vielleicht auch nicht, denn hier beginnt das Landschaftsschutzgebiet Mittlere Havel.

Mit Geld wird manches teuer
Mit Geld wird manches schön und teuer

Das Breite Bruch lässt keine Wahl, obwohl manchmal die Traktorspuren durch die Wiesen locken. Entlang Pumpergraben auf Beton quer durch, etwas an der Bahnlinie entlang, dann unterhalb der alten Strecke Richtung Reckahn.

Pumpergraben
Pumpergraben

Da die Natur im Bruch sowieso keine ursprüngliche Natur ist, kann ich mich auch am ruinösen Beton erfreuen: unser Zeitalter geht mit seinen Errungenschaften schneller zu Ende als irgendein mittelalterliches Objekt zerfällt.

Lebensdauer Beton
Lebensdauer Beton

Weit entfernt steht ein Reiher, fast bewegungslos im kurzen Riedgras. Das dichte Schilf könnte sein Domizil sein. Aber die stehen gelassene Schilfinsel ist bereits einen Meter breit ringsum dezimiert und neu eingegrenzt durch Mähen. Methode Störfall Baum? Entasten bis ein Telegrafenmast steht und das Gesetz nicht mehr greift?

Schilfinsel
Inselartiger Schilfbestand

Mehrfach ziehen Gänse am Himmel, ein einziges Mal noch Kraniche. Der Zaunkönig fliegt so oft wie man ihn während der dicht belaubten Zeit nie sieht. Meist flattern aber nur Krähen auf und erinnern trotz der milden Temperatur an den November.

Rohrkolben
Rohrkolben

An den Wegrändern Plastik-Tüten und -Behältnisse. Drei Farbeimer nicht viel mehr als 500 Meter vom frisch gestrichenen Haus. Hätte ich solche Unverfrorenheit geahnt, hätt ich wohl alles bis dorthin zur Tür getragen. Alle Gassigeher aus Richtung Göttin sind sicher schon einige Male bis zu diesem letzten Gebüsch gekommen bevor die Wiesen sich bis zum Horizont erstrecken. Ich belasse es bei einem anderen Bild, farblich und mit wahrscheinlich kräftigem Wurf fotogen arrangiert.

Plastik in allen Farben
Aus den Augen aus dem Sinn im Plastiksack

Google maps, das nie so will wie ich laufe, zeigt etwas über 5 km.  Jetzt aber möchte ich den Bruchwald Roskund sehen. Wegweiser übrigens Fehlanzeige. Nach Südost überquere ich zweimal den Bruchgraben mit nirgends verzeichneten Möglichkeiten.

Der Graben
Graben im einstigen Niedermoorland. Was für ein Eintrag ist DAS?
...schaffen das!
…schaffen das!

In der Ferne sind die beiden Naturschutzgebiete Bruchwald Rosdunk und Zingelheide als bewaldete Hügel zu sehen. Die  Landwirtschaft ist an diesem Wochentag mit viel Maschinen zu Gange. Flächendeckend die Gräben mit frischem Aushub.  Muscheln müssen nicht abgesammelt werden: der Schlamm rabenschwarz, alles Pflanzliche abgestorben. Die keinesfalls schonende Entwässerungsmaßnahme entzieht den Wiesen völlig das Wasser. In den Trockenzeiten unseres Klimawandels wird das kein Futter geben. Was für Tatsachen sollen hier schnell noch geschaffen werden? Wie umdenken? 2017 lag das Gewässerentwicklungskonzept „Mittlere Havel“*** noch nicht vor. 2018?

NSG Bruchwald Rosdunk und Zingelheide

Trockengelegt
Der Schilfgürtel von Holunder und Krautschichten okkupiert

Der Bruchwald Rosdunk ist von einem einzigen Weg durchzogen, von außen nicht begehbar. Ringsum ein Graben, das Überqueren wäre nordwestlich möglich: die Grundwasserabsenkung ist extrem durch das trockene Jahr und die nun neu, tief und breit ausgehobenen Gräben. Der Schilfgürtel gestört, in den Erlenbestand wuchert eine Krautschicht. Die Auseinandersetzungen zwischen Naturschutzbehörden und tradierter Landwirtschaft kann man sich unschwer vorstellen…

Die Grenze zum Bruchwald Rosdunk
Die Grenze zum Bruchwald Rosdunk einseitig, aber tief ausgehoben
Torfboden am Bruchwald Rosdunk
Schwarzbrauner torfiger Boden am Erlen-Bruchwald Rosdunk
Pappelbruch
Pappelbruch. Der Baum, hier mittig zwischen den beiden Naturschutzgebieten, gehört nicht in diese Waldgesellschaft
Geschälte Bäume
Geschälte Kiefern inmitten gelungener Aufforstung, s.u. Waldumbau oder bereits Ersatzpflanzung?
Brunftplatz
und ein Brunftplatz – unglaublich was in der Nähe unserer Wohnplätze zu finden ist!
Vom Wald in die Wiesen Richtung Schmerzke
Vom Wald in die Wiesen wechselt in der Dämmerung das Wild

Ab und zu werfe ich auch hier einen Blick in den Schlammaushub der umlaufenden, geräumten Gräben. Zwischen 2010 und 2012 wurden am Rand der Schmerzker Heide (Zingelheide) Rastplätze der Havelländischen Kultur erforscht. Nicht seit jeher war nämlich die Talsandebene von gestautem Grundwasser vermoort. Aber in dem schwarzen Flüssigbrei ist mit den Augen niemals etwas zu entdecken.

Die Bauern und das liebe Vieh

Zutrauliche Schafe
Wer bist du?

Nein, ich gebe keine Daten zum Standort dieser handzahmen Tiere, die allesamt zutraulich mich Menschen beehren. Die Schafe und Ziegen werden von den Gänsen bewacht, das Truthahnpaar ist auch nicht von schlechten Eltern. Autos und Fahrräder, offene Türen mit zumindest schwerhörigen Bewohnern – wenn überhaupt. Ich fühle mich aus der Zeit gefallen – hinter dem Bruch also ist noch manches möglich.

Zahmes Geflügel
Handzahm und aufgewecktes Geflügel, ich selbst bin ohne Futter eine Enttäuschung
Rinderherde
und eine etwas träge-tumb wirkende Rinderherde

Über den Neujahrsgraben hinweg liegt geradeaus der Bahnhof Brandenburg, die Straße Richtung Schmerzke und eine weitere Rinderherde. Geradeaus wäre die optimale Möglichkeit, die ich auf dem Hinweg nicht gefunden habe.

Melioration flächendeckend
Maschinenmelioration im Hintergrund; die Gänse am Himmel sind wild

Es geht optimal, allerdings durch Elektrozäune und den Privatbauernhof mit Rinderstall. Ein Boxer – Bulldogge? – springt mir entgegen, um mich Wild(erin) zu packen. Wahrscheinlich ist der Hund artgerecht fürs Treiben des Viehs abgerichtet. Ich werde zum Herrchen geleitet: eine alteingesessene Bauernfamilie, wenngleich ein sonnengegerbt über Achtzigjähriger gerade als einziger mit einem Gleichgesinnten ackert. Ja – alles um die Wirtschaft drum herum nur noch im Bereich des eigenen Zaunes denkend…
Ich kann das nur bestätigen, hab es während meiner Wanderung gesehen. Was ich von Beruf gewesen bin – ach so… aber ab und zu pflanze ich Bäume – wenigstens…

Herbstfeuer
Herbstfeuer – Kartoffelfeuer war einmal, aktuell ist es der nicht endende, übliche Abfall unserer hochgelobten Zivilisation

Jetzt darf ich mich neben dem sich flussbreit schlängelnden Jakobsgraben ebenfalls in die Siedlung schlängeln. Noch vor dem Bau der Eisenbahn dürfte das ein Nebenarm der Havel gewesen sein. Ich denke die historische Zeit in dieser Osthavelniederung: eine sich ständig verändernde, märkische Heimat.

Der Wächter der Heveller
Umsonst?

***demnächst vielleicht ein Link: die Dokumente sind informativ – geradezu spannend, aber im Bereich mittlere Havelniederung finde ich nicht diese zu Potsdam-Mittelmark gehörenden Flächen. Für geschickter gegoogelte oder spezifische Hinweise bin ich dankbar.

10.11.2018, meinerseits kein Bedarf mehr nach Information, ich hab’s:
Ausbau der B102 zwischen Schmerzke und der Autobahn 2

zitiert nach MOZ.de, 26.01.2017 “Die gute Nachricht zuerst! Die Ortsumfahrung des Brandenburger Ortsteils Schmerzke wird gebaut… Verkehrsaufkommen von 23600 Fahrzeugen am Tag, darunter 2600 LKW… Das Vorhaben verursacht anlagebedingt Waldrodungen auf einer Fläche von 16.540 m² mit einem Anteil von 3.900 m² Wald mit Schutzfunktion. Die Fällung von 132 Bäumen soll durch 346 Neupflanzungen kompensiert werden. Weiterhin werden hochwertige und sehr hochwertige Grünlandbiotope beansprucht. Etwa 4.455 m² artenreiche Frischwiesen und 2.080 m² Seggenrieder fallen den Baumaßnahmen zum Opfer. Insgesamt werden durch das Vorhaben 53.400 m² von Böden allgemeiner Bedeutung neu versiegelt. Die Vorbereitungen und umfangreichen Rodungen haben schon begonnen.”
Baubeginn 2020. Die Reaktion Schmerzker Bürger: “Na, dann haben wenigstens unsere Kinder was davon.”
Fragt sich nur was. Vom Sessel ins Auto. Lärmschutzwände am Haus – an die Landschaft angepasst. Lärm. Ich kenne den vom Wandern zwischen Bad Saarow und Rauen. Und nicht nur das.
Wollten wir nicht notwendig anders leben?

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