Alles Fake-Faust oder Krabat?

6. April 2019, 28 km von Hoyerswerda zur Krabat-Mühle in Schwarzkollm mit dem WSV Rotation, Leitung A. und E. Böhringer

Wo die Oberlausitz sich irgendwie falsch anfühlt

Hoyerswerda: Region Oberlausitz, sieht landschaftlich aus wie Niederlausitz. Sogar das 65+ Ticket funktioniert einige Kilometer jenseits der Grenzziehung Brandenburg – Sachsen. Böhmen, Preußen, Schlesien, Thüringen. Leipzig, Dresden, Görlitz, Bautzen, Spreewald, Berlin. Historisch verbandelt. Aktuell wird die Lausitz vorzugsweise als Seenland vermarktet. Noch gibt es aber auch das Teichland.


Kein Braunkohletagebau, sondern ein Fischteich mit abgelassenem Wasser! Von der sorbischen Sagengestalt Krabat wird inzwischen erzählt, er wäre von einer düsteren Stimme in den Tagebau “Schwarze Pumpe” gerufen und verwandelt worden für das Abbaggern der sorbischen Dörfer. Ohne Krabat als Zahnrad würde die Maschinerie so wenig funktionieren wie einst die Schwarze Mühle ohne den zwölften Gesellen.


Einst soll es Krabat gewesen sein, der die Moorlandschaft durch Gräbenziehen in fruchtbares und reiches Land verwandelt hat. Auch gegen das Fieber aus den Sümpfen. Hinter Krabat folgte ein zweiter Pflug, ein dritter… “Jeden scheint Krabat zu führen”, so beendet Jurij Brězan die Geschichte.


Im Teichland ist nach wie vor Fisch fast ein Grundnahrungsmittel. Jod tropft noch nach Generationen förmlich aus  den Poren. Für den Erhalt von Fröschen und Störchen muss sehr viel mehr getan werden. Würde Krabat heute sterben, müsste als Anzeige für das außergewöhnliche Ereignis kein Schwan bemüht werden, ein inzwischen ebenso seltener Weißstorch täte es auch.

Wenn es Ostern wird

In diesem zeitigen Frühling und in Zeiten des Klimawandels sieht alles nach glücklicher Lausitz aus – die blühenden Magnolien nun doch eher sächsisch.


In Dörgenhausen putzen die Alteingesessenen ihr “Němcy” – in trauter Einigkeit Sorben und Deutsche, Katholiken und Evangelische. Seit Urzeiten ist Gemeinschaftssinn vor allem zwingend für die Regulierung des Wasserstandes im Land.


Und: das Osterfest steht vor der Tür. Ostern in der sorbischen Lausitz übertrifft in gewisser Weise Weihnachten.


Ich habe Osterreiten und Waleien*** 1950 in Bautzen erlebt und nie vergessen. Die Dörgenhausener nehmen teil an der Wittichenauer Osterreiterprozession. Vielleicht auch vorbei an diesem Wegekreuz.


In der Pfarrkirche von Wittichenau wurde „Johann von Schadowitz“, begraben. Er gilt als die historische Vorlage für die Sage von Krabat, dem “sorbischen Faust”. Groß-Särchen wird in der „Chronik Wittichenau“ als Gut des kroatischen Heeresobristen Jan Sadovic genannt, wo er als der “Krabat” auch 1704 starb.
1950 sah es allerdings nicht aus als hätte in Groß-Särchen oder gar bis Hoyerswerda hinein ein Krabat gewirkt.

Groß Särchen, um 1950

Ziemlich echt: Wittichenau und Mühle

Kirche in Wittichenau

Wie von Krabat liebevoll verzaubert: der Marktplatz von Wittichenau, im Hintergrund die besagte Pfarrkirche.

Die Krabat-Stele: Hans Eickworth (1930 – 1995) als Künstler wird selten genannt. Freilich wäre die Stele als Volkskunst bunt wie ein sorbisches Osterei.


Diese farbenfrohen Ostereier gibt es nur noch museal. An den Bäumen klimpert grelle Plaste. Ein Ei wie das andere. Ach Krabat, flüstere den Sorben doch ein, dass die Tradition mit Edding-Stift als ebenfalls nur andere Technik nicht brutal gebrochen werden müsste.

Die Eleganz des Wanderns
Wir gelangen inzwischen elegant zur einzigen, in dieser Gegend noch erhaltenen Wassermühle am Schowtschickweg.

Der Mühlteich der Schowtschickmuehle
Einst waren es fünf Wassermühlen. Die im Landschaftsschutzgebiet unter Denkmalschutz stehende Schowtschick-Mühle wurde um 1500 erbaut.

Gehöft der Schowtschickmuehle
Zwar klappert es nicht mehr, aber zumindest rauscht es noch kräftig.

Mühlrad an der Schowtschickmuehle

Geheimnisse im Dubringer Moor

Im Biosphärenreservat “Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft” fällt das Naturschutzgebiet “Dubringer Moor” als riesiges Niedermoor, teilweise mit Hochmoorcharakter, auf jeder Landkarte auf.


Der durchschnittliche Jahresniederschlag liegt unter dem deutschen Durchschnitt. Wir haben einen trocken heißen Tag erwischt. Der Gedanke an brennende Moore liegt näher als der an das Versinken in wässrigen, trügerischen Oberflächen.


Im südlichen Teil des Dubringer Moores, auf dem Weg von Wittichenau nach Dubring, liegt das “versunkene Schloss”. Die Sage erzählt von seinen Besitzern als höchst grausamen Menschen. Der Burgwall ist erkennbar, der Sumpf nicht. Das dumpfe Heulen aus der Tiefe bleibt uns erspart – 32 Wanderer waren wohl zu beängstigend für das Personal.

Sage vom Schloss
Der Wald wird hügelig. Ein Stein am Fuße des Gerichtsberges erinnert an einen verunglückten Forstarbeiter. 182,4 Meter über Normalhöhe erklimmen wir noch diesen höchsten Punkt der Blaubeergegend, mit Feuerwachtturm und Resten eines Vorgängerturms.

Gerichtsberg

Gespielte Heimat

Straßengerade und gefühlt verirrt stoßen wir wie der Hirtenjunge Krabat auf die Schwarze Mühle. Krabat erlernt dort (aber nicht hier – das ist Filmkulisse) nicht nur das Müller-, sondern ebenso das Zauberhandwerk. Gefangen und nur als Raben frei ins Land entlassen, verfällt jährlich eine der zwölf Schülerseelen dem Zauberer. Was soll’s mit der Seele im Zeitalter der Eventkultur. Wir fühlen uns gerettet mit schwarzem Bier und schwarzem Eis.


Krabat-Mühlenkulisse

Raben ohne Ende

Am Ende sind wir noch vollzählig. Aber ich schwöre: Richtung Bahnhof Schwarzkollm, an der langen Straße mit riesigen Dreiseiten- und Vierseitenhöfen, sitzt ein schwarzer Rabe am anderen.

***Ich werde mein Ostereigeschenk nie vergessen. Nie wieder hab ich ein so kunstvolles gesehen: blau-weiß, gekratzt. Es wurde gegessen (natürlich, 1950…). Nur eine halbe Schale gerettet und lange aufgehoben.

Was ist das? Kann weg.

So ist das, wenn jemand als Rabe bei den Hühnern aufwächst.

 


Nichts kommt überraschend

Dubringer Moor - wie wir das ganz seltene Blitzen von Wasser schon im April 2019 mit Erschrecken gesehen haben
Bulten im Dubringer Moor und wie wir das ganz seltene Blitzen von Wasser schon im April mit Erschrecken gesehen haben

Sofern es nicht um das angesagt sportliche Wandern geht, sondern um meine Umwelt und die meiner Enkel, brauche ich – anstatt zu wandern – nur noch in die “Kiste” zu greifen. ARD Info-Nacht 3. Mai 2019: das Dubringer Moor in Gefahr! Trockenheit. Sogar die Moorfrösche bleiben aus. Die Bewässerung des Moores aus dem Vincenz-Graben, den wir auch bei dieser Moor-Wanderung überquert haben, scheitert an der Grenze Brandenburg : Sachsen. Kleinstaaterei im 21. Jahrhundert. Der Link zu diesem Ranger-Interview ist nicht zu finden. Einzig und allein touristische Angebote in eine heile Welt. Das politische Brandenburg hat sich 2019 die Förderung des Tourismus auf die Fahnen geschrieben.

Fahrn wir doch nochmal schnell mit dem Auto hin!
der Umwelt-Paparazzi

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