Paulinenaue, Havelländisches Luch

Letzte Dezemberwanderung 2019: Zug Richtung Wusterwitz vermasselt, neues Ziel: Ribbeck und das Havelländische Luch. Doch ich werde Ribbeck mit Ausgangspunkt Paulinenaue nicht erreichen in den berechneten vier Stunden. Darüber mag der Wanderprofi lächeln. Nicht einmal Genusswandern kann ich es nennen, jedenfalls tut es noch immer weh: nein, nicht der Körper.

Paulinenaue, klassizistischer Bahnhof, 28. Dez. 2019
Paulinenaue, klassizistischer Bahnhof

Paulinenaue

Wahrlich, es gibt einiges zu entdecken: hier wirkte der berühmte Eilhard Alfred Mitscherlich** im „Institut für Grünland- und Moorforschung“, später „Institut für Futterproduktion“: beides Forschungen, denen erneut Aufmerksamkeit beschieden sein sollte.
Eine feierabendmüde Frau hetzt mir entgegen. Ich kenne diesen sichtbaren Zustand aus meiner Nachbarschaft: Altenpflege. Die versorgenden Hände wohl nicht aus unseren Landen. Zeitdruck hinter den wunderschönen Fassaden. Ein offener Platz „betreutes Wohnen“ wird per Anschlag geboten.

Paulinenaue, Onkel Walters Scheune
Nicht nur das pikobello sanierte Gutshaus wurde einem neuen Zweck zugeführt.

Industrieruine mit prächtigem Turm
Zweck  heiligt erfreulicherweise den Erhalt: prächtiger Turm über einer fast schon malerischen Industrieruine. Gepflegte Kleingärten ohne Zaun schließen sich an. Gegenüber nigelnagelneu Privates. Alles und mehr auf der “Professor Mitscherlich Allee”, die einst eine Sichtachse zum Gutshaus gewesen sein dürfte.

Paulinenaue, Professor Mitscherlich Allee
Am anderen Ende des Ortes freundliche Begegnungen am Wegesrand. Sogar Vertrauen mit offenen Toren und glücklichen, leider nicht geschäftsfähigen Hühnern.
Eine Kirche mit Rundturm.

Paulinenaue, Dorfkirche
Zum Abschluss wieder der Bahnhof in seinem allseits beklagten Zustand. Das Kleinod ist verkäuflich.

Paulinenaue, Giebel am Bahnhofsgebäude

Bahnhofsgebäude mit Turm
Paulinenaue vom Blockhausneubau bis zur Industrieruine aus meiner Tagessicht ein chaotischer “Unort” mit “städtebaulichem Zentrum Bahnhof“. Das Leben tickt jenseits dieser Äußerlichkeiten. Ausdrücklich empfehle ich zur objektiven Beurteilung und zum Stöbern den Blog „Paulinenaue“***.

Havelländisches Luch

Zuvor aber Richtung Ribbeck. Die Wege durch das Lindholz werden von Anwohnern als nicht gangbar bezeichnet. Daran glaube ich nicht, aber der Flugplatz… nix für Wandersleut. Der naturnah klingende Bienenfarmer Weg entpuppt sich als viel befahrene Landstraße.

Holunder vor Pflanzung
Entlang von Ackerwiese gerate ich auf den alten Plattenweg Richtung Pessin. Vor Selbelang werde ich im Luch abbiegen. Links von mir die Äcker und trocken gefallene Gräben, das Schilf bis auf Reste abgeräumt. Rechter Hand erinnern einzelne Eichen und Erlen an uralte Hutezeiten.

Wald im Havelländischen Luch
Selten mehr als ein schmaler Saum Bäume, dichtes Unterholz und Windbruch im Schattengeäst.

Wald im Havelländischen Luch bei Paulinenaue
Alles genau richtig, um die kalt weiß strahlende, heute andernorts rare Sonne zu genießen.

Weide mit einsamen Kranich
Stille. Ein einsamer Kranich – warum nur schreiend? Später weiß ich: ein Kranich des Ibykus.

Am Selbelanger Damm

Baumpilze, Winterpilze

Judasohr am Holunderstamm, essbarer Pilz
Ich spezialisiere mich auf Augenschmaus. Judasohren, unerreichbar am Holunder – grad so mit hoch gestreckten Armen zu fotografieren.

Judasohr an Holunderästen, essbarer Pilz

Mein Pilz erster Wahl (noch vor Fliege): der Goldgelbe Zitterling. Erstes Trockenstadium, aber je nach Blickwinkel in vielfältigster Form. Ach, wie mir das kleine, schleimköpfige Ungeheuer um Liebe bettelnd entgegen kriecht…

Goldgelber Zitterling, essbarer Pilz

An bemoosten Baumstümpfen viel Trameten. Hier die Erfindung des Rades durch Schichtpilze. Wir sollten uns nicht allzu viel auf unseren Intellekt einbilden.

Schichtpilze an Eichenstamm

Große Lamellenpilze mit Stiel und in den unterschiedlichsten Zuständen.

Schüpplinge
Ich würde sagen: eine Art Schüppling. Auf jeden Fall nicht essbar.

Schüpplinge
Natürlich der Zunderschwamm – sehr gewöhnlich, es sei denn, Gänse ziehen etwas ungewöhnlich für diese Jahreszeit über den Himmel.

Zunderschwamm an Weidenstamm mit Gänsen am Himmel

Dann, kaum zu glauben: der Gemeine Samtfußrübling en masse. Nur einmal hab ich diesen unverwechselbaren Winterpilz im Spreewald entdeckt.

Samtfußrübling, mit Klick zu großer Ansicht

Von November bis März wächst er an Totholz besonders von Weiden oder Pappeln. Ich hänge mit dem Fotohandy zwischen und über dichtem Geäst. Weit unter mir – leider nein, die lassen sich alle nicht greifen.

Gemeiner Samtfußrübling

REGIONAL groß geschrieben

Der Pilzblick schult. Schaun wir nun doch insgesamt genauer. Vorgebohrt wurde.

Geheimer Durchblick

Lange hab ich über „Kleinigkeiten“ aller Art hinweg gesehen. Bei manchen weiß ich, dass ich sie nicht übersteigen sollte.

Jagdrevier
Wahrhaftig: ein Schuss. Aha, der Kranich des Ibykus. Vor einigen Minuten hab ich tölpelhaft mit kurzem Halt das wohl einzige Reh in dieser Landschaft vor die Flinte getrieben.

Richtung Ribbeck
Ich begegne der Jagdgesellschaft erst an der Biege nach Marienhof und Ribbeck. Denen hinterher nun keinesfalls.

Hochsitz im Havelländischen Luch
Wer weiß, welche der zahllosen Ansitze noch besetzt werden. Und auf den Speisekarten der gepriesenen Havellandküche steht solches Wild auch nicht sofort. Also: am Flugplatz Bienenfarm Kehrtwende.

Jagd heißt: sitz!
Die Muße des Rückweges kehrt sich nun aber auch mit anderer Aufmerksamkeit der schon erwanderten Landschaft zu. Undenkbar, dass der Blick nicht auf all den Müll neben den Platten fällt. Den regionalen Jagdgeschwadern fehlt sichtlich das Verantwortungsbewusstsein für die gepachtete Umwelt. Zu viel Bequemlichkeit beim immer lauernden Sitzen und Fahren? Ein Halt, zwei Schritte, ab auf den Hänger…? Ganz egal, wer das geworfen hat. Entlang der Plattenwege um den Gänselakengraben überall Fundstücke.

Virtuelle Sammlung
Hab mir die Mühe gemacht, virtuell zu “versammeln”. „Schnelle Vorbeifahrten“ von Kulturverein und Radtouristen lassen wenig Entdeckung befürchten.

Schnell vorbei

Ich werde neugierig auf die Wahlergebnisse 2019 in Paulinenaue. Die grünen Engel, die ihre blauen in den Gräben entsorgen, entsprechen sicher nicht vom Wähler gewünschtem Mitwirken, keinem Menschenverstand und keiner Redlichkeit. Über die Statistik hinaus lohnt es, auf mehr als die jeweilige Parteibibel zu sehen.

Blauer Engel im Grünen
Wer zählt zu den Gerechten und wer zu den Scheinheiligen? Zufälliges, Altlast oder von Fremden liegt nicht im Busch.

Stop! Keine Verrottung von Plastikmüll im Luch!

 

** Eilhard Alfred Mitscherlich bei Wikipedia
*** hier geht es zu diesem Blog
siehe auch Zootzen und Bruch
siehe auch Bahntrasse mit Kranichen

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