Im Bogen um den Burgwall Riewendsee

24. 5. 2018 im Westhavelland
5 km von Bagow auf dem Mühlenweg und am „Strang“ entlang zum Burgwall Riewend
4 km auf dem Hochwasserschutzdamm und einem Staubweg nach Wachow
6,5 km auf der alten Straße von Wachow bis Gutenpaaren gerade durch

 

Der Mühlenberg von Bagow

Aussicht vom Mühlenberg Bagow mit Rotmilan
Blick Richtung NW vom Mühlenberg Bagow mit Rotmilan. Rechts mittig mit einzelnem, weiß leuchtendem Holunderbusch “mein” Graben als dunkler Streifen zur Straße

Der Götzer Berg mit seinem Aussichtsturm ist vom Bus aus und fast überall zu sehen. Da komme ich schnell ins Gespräch mit heimatliebenden Alteingesessenen. Perfekt an der kleinen Jugendstilkirche in Bagow abgesetzt, kann ich sofort einbiegen Richtung Riewend. Die Straße zieht sich. Irgendwie werde ich auch auf dem verlockenden Weg zum Mühlenberg mein Ziel erreichen. 59,9 m beträgt diese höchste Erhebung im Beetzseeraum. Der Blitz hat die einstige Bockwindmühle vernichtet und nun ist der Blick frei nach allen Seiten.

Weit unter mir kreist und segelt ein Rotmilan. Der helle Schwanz und das Weiß unter den Schwingen blitzen auf, wenn er sich auf seinem schnittigen Suchflug nähert und dreht: sicher das Männchen, während das Weibchen jetzt brütet.
Rotmilane stehen ganz oben auf der Liste der Totfunde von Windrädern – die sehe ich auch Richtung NO am Horizont.

Schilfgürtel zwischen Bagow und Riewend
Schilfgürtel am Strang bei Bagow

Eine Reiterin galoppiert durchs Feld. Vielleicht geht es am Schilfgürtel entlang. Das Schilf ist teilweise gemäht, der Boden butterweich. Aber am Graben rechtwinklig zum Strang nur noch eine Wildspur: Schritt für Schritt taste ich mich durch meterhohes Kraut. Ein falscher Tritt – es quietscht feucht zwischen den Zehen. Ich schaffe das. Zeitaufwändig um einen kleinen Sumpf und am Graben entlang – noch ein falscher Tritt: aus der Perspektive eines Rotwildes liegt es sich heimelig komfortabel.
Die Hälfte der 3 km langen Straße bis Riewend konnte ich umgehen.

Der Burgwall Riewendsee

Rekonstruktion nach Grabungsergebnissen
Grabungsergebnisse, Collage auf Grundlage der Infotafel. Höhe des Walles bis zu 5 m.

Riewend gehört neben Götz, Deetz und Gutenpaaren (=Parne) zur Gruppe der ältesten slawischen Siedlungen im Havelland. Am Nordufer des Riewendsees ist ein slawischer Burgwall aus dem 9./10. Jahrhundert erhalten, mit einem Durchmesser der Hauptburg bis zu 80 m und einer Fläche von 0,4 ha. Grabungen ermittelten: diese Rundburg  eines Hevellerfürsten endete niedergebrannt, wahrscheinlich durch die germanischen Askanier, die um 1157 die slawische Urbevölkerung besiegten und Dörfer nach deutschem Recht gründeten.

Slawischer Burgwall am Riewendsee
Slawischer Burgwall am Riewendsee

Ich reiße mich nur schwer los von den wogenden Gräsern und dem Schilf, alles vom Wind wie ein Meer bewegt.
Auf dem Hochwasserschutzdeich führt der Weg um den Burgwall, biegt ab Richtung Wachau oder Päwesin.
Die Sonne brennt mich jetzt aus Richtung West nieder.

Woher wir kommen und wohin wir gehen

Havelniederung zwischen Wachow und Gutenpaaren
Havelniederung zwischen Wachow und Gutenpaaren

Die periodisch von der Havel überflutete Niederung mit ihrem Feuchtgrünland ähnelt dem Unstruttal. Ich habe in beiden kein Heimatrecht. Man erwarb es sich nach der preußischen Reform der Niederlassungsbedingungen von 1842 über den Unterstützungswohnsitz. Schon damals führte migrierende Armut zum Konfliktpotential zwischen alteingesessenen Einwohnern und sozioökonomisch entwurzelten, aber nun regulären Zuwanderern. Nicht anders heute, allerdings durch Immobilienkauf geadelt. Nur ist über die engen Grenzen von Eigentum und Garage hinaus Heimat als solche kein Verlangen mehr.

Formgehölz
Formgehölz

Vor Wachow eine Baumschule für Formgehölze. Kegel, Kugel, Pyramiden – zur regionalen Landschaft ohne Bezug, es sei denn zu den Gärten von Potsdam. Dafür sind es zu viele Bäume und nicht Fürst oder König regieren, sondern die Marktwirtschaft mit dem Tagesgeschäft.

Aus dem Dunkel alter Erzählungen erinnere ich: väterlicherseits kam die Familie Protz aus dem Havelland nach Sömmerda in Thüringen. Die Familie sprach „vornehm“, aber es war der niederdeutsche Dialekt.
Was mag so weit getrieben haben? Die Ziegelei – längst nicht so traditionsreich wie im Havelland. Eine bäuerliche Einheirat? Die flache, weite Landschaft jedenfalls ähnelt zum Verwechseln. Die Schwalben fliegen ums Gemäuer. Es ist möglich, zu Hause zu sein.

Schicksal – dagegen aufbegehren. Vom Westhavelland nach Thüringen.
Schicksal – dagegen aufbegehren. Vom Westhavelland nach Thüringen.

In Wachow ist nichts historisch Aufschlussreiches zu finden. Also nach kurzer Kartenorientierung weiter nach Gutenpaaren auf mit sauber in Reihen gelegten, gelb gebrannten Klinkern. Vorsicht! Straßenschäden! Die → Klinker gucken unbeschädigt wie vor 200 Jahren unter dem krümligen, schwarzen Asphalt hervor.

Klinker - über 6 km von Wachow nach Gutenpaaren
Klinker – über 6 km von Wachow nach Gutenpaaren

An den Wegrändern schon seit Bagow Heckenrosen, Weiden, uralte Pappeln – angeblich kurzlebig, aber die urigen Stämme treiben neu aus.
Überall verbreiten die weißen, großen Teller der Fliederblumen ihren Duft. Auf Norddeutsch heißt der Schwarze Holunder (Sambucus nigra) seit Urzeiten Fliederbaum. Und eine Suppe aus Fliederbeeren heilt jede Krankheit – zumindest die einer sich sehnenden Seele… Jedes Gehöft hielt früher seinen Fliederbusch heilig. Das wissen die „Neuen“ auch nicht – sie denken an das wuchernde Ölbaumgewächs, das als Zierstrauch aus Südosteuropa oder Asien gebracht bei uns verwilderte.

Klatschmohn im Getreide
Klatschmohn im Getreide

Der einstige Rittersitz Gutenpaaren hat endlich alles was ich erhoffte: einen alten Friedhof, sanierte Gebäude aus Ziegel und verfallene. Ein Storchennest mit Frau Adebare auf den Eiern.

Die Busse kommen zur Auswahl – Potsdam oder Brandenburg. Ich erinnere das Gespräch am Morgen. Ja, mein Busnachbar hat Recht: hier leben dürfen und bis in die Nacht hinein in den Sternenhimmel schauen können…
Wenigstens Aldi und Edeka erspare ich mir in Berlin. Es gibt Wildgemüse und süße Rosen-Fliederblütenküchlein.

Gutenpaaren
Das einst reiche Gutenpaaren – Träumerei

Biene

In Zukunft werde ich wohl auf meine Rosengelüste verzichten:
Im Staubgefäß der Blüte taumelt eine Biene. Aber weder diese Biene noch ein anderes Insekt nimmt meine blattlosen Blüten an, nicht einmal mit nur einigen fehlenden Blütenblättern. Betäubt von der süßen Nahrung brauchen sie offensichtlich deren Halt.

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