Spreewaldgrün und Regengrau

6 Stunden ca. 25 km von Vetschau zur Krabat-Schleuse bei Burg, vornehm über Kurfürstendamm! und mit einem Blick auf den Barfußpfad zur Dubkow-Mühle, dann nach Leipe, von hier aus durch mein angestammtes Paddelreich zwischen Hauptspree und Südumfluter über E-Kanal, Semisch, Bancerova und Uska Luke bis Lübbenau.

Griesegrauer Himmel schüttet Regen aus. Fenster zu, Türen zu. Verteufelt: es ist Ferienzeit! Wetter.de zeigt Richtung Cottbus “regenfrei” plus a bissel Sonne neben der Wolke. In Burg/Spreewald mal nach SUP* sehen, eine tragbare Alternative zum Boot?

Die Regenwand, © K.G.Brandler
Die Regenwand
Das waren mal hellgraue Teile...
Das sind in trockenem Zustand ganz helle, hellgraue Teile an und über meinen Füßen…

Es schüttet. Der Zug schüttet in Brand Richtung Tropical Island aus. Die Übriggebliebenen kennen sich, mir wird Schokolade angeboten. Wer in diesem Regen unterwegs ist, kann nicht fremd sein. Es schüttet – auch in Wětošow/Vetschau (Raduš ist schon lange als Bahnhof gestrichen). Zu spät: kein Bus, das wusste ich. Es gibt nur die viel befahrene Straße, aber es fährt wenig. Ein Wohnauto mit Beschriftung braust durch die Pfützen: “Des Campers Fluch: Regen und Besuch”… Muss schon seit gestern schlimm sein.
Auf der Wiese zwei Rehe mit Kitz, sie gucken nur – per pedes kommt hier wohl nie jemand vorbei.

Spreewald, © K.G.Brandler
Nee, die Rehe hab ich nicht versucht zu fotografieren, sicherer wurde das später mit den Ziegen etwas
Echte Zaunwinde, Samen mit psychoaktiven Wirkstoffen - noch nicht erforscht und lebensgefährlich! © K.G.Brandler
Echte Zaunwinde, ihre Samen enthalten psychoaktive Wirkstoffe – unerforscht, also lebensgefährlich! Aber man spürt es: allein ihr Anblick ermuntert Herz und Seele

Hinter Njabožkojce/Naundorf hab ich die Allee für mich allein – denk ich so. Vielleicht doch nicht. Eine hochschwangere Katze, ein wahrscheinlich Marderhund und ein Schlegel dachten das auch. Sieht im strömenden Regen nicht animierend aus, ich überlege abzubrechen. Die Hosenbeine sind vollgesogen bis über die Knie, in den Schuhen glitscht es. Völlig unmöglich, einen Wiesenweg einzubiegen. Sowieso führen im Spreewald nur noch Sackgassen nicht über Bitumen oder Wasser.

Ein Marderhund? © K.G.Brandler
Flauschiges Fell – vom Regen klein geschrumpft – ein Marderhund?
Kann nur ein Schlegel gewesen sein, © K.G.Brandler
Kann nur ein Schlegel gewesen sein – keinesfalls eine Nacktschnecke!

Menschenleer ist alles. Der SUP-Unternehmer in Burg bastelt an seinem Auto; Städter und Touris haben abgesagt. Die Spreewaldkähne stehen voller Wasser. Die Fließe haben ordentlich Strömung bekommen. Ein Zeichen des Himmels auf dunklem Spiegel: unendlich. Unendlich Regen.
Die nassen Hosenbeine klatschen warm an, die Stille und das Regenrauschen machen glücklich. Vögel zwitschern im slawischen Urwaldgrün. Ab und zu Kulturlandschaft.

Spreewald, Menetekel im Wasser, © K.G.Brandler
Menetekel im Wasser
Kulturlandschaft Spreewald, © K.G.Brandler
Kulturlandschaft Spreewald – kurz unter einer lichten Wolke

Warum die unromantische Schleuse am Leineweberfließ Krabatschleuse heißt, erschließt sich nicht. An den Wegen gibt es Informationstafeln – vor üppigem Blättergrün lese ich über winterliche Spinnstuben. Ich denke an → Storms Regentrude und die sorbische → Mittagsfrau. Ach, der Unglaube und das Blindsein vor dem, was unmittelbar vor Augen liegt… Wenigstens einen Fischpass gibt es. Graue Spinngewebe hängen wie Gardinen über der Kammerwand.

Basttians-Schleuse, der hohe Wasserstand ist unübersehbar
Erst die Basttians-Schleuse, der hohe Wasserstand ist unübersehbar
Krabatschleuse bei Burg/Spreewald
Krabat ist eine sorbische Sagengestalt: Müllersbursche und Zauberlehrling – aber hier baden… da müsste vorher ein großer Zauberer sein Akakadabra sprechen!

Erste, schwarz-reife, zuckersüße Brombeeren neben einem Staudenknöterichwald. Der aus Richtung Myšyn/Müschen unmarkierte, richtige Feldweg ist gesäumt von Brombeeren. Aber auch Staudenknöterich wurde verschleppt, noch nur junges Grün – vielleicht sollte ich mir ein Häulein kaufen… Danach wieder Bitumen und Straße. Es stört mich nicht, ich hab Rechts und Links und Mitte für mich allein. Zwei Radler begegnen mir erstmalig Richtung Dubkow-Mühle. Hecht in der Gaststätte, nur das nicht. Ich hab bereits den Rucksack voller Augustäpfel und mich selbst von madenlosen, riesigen und überreifen Fallpflaumen ernährt: Dank dem Regengebraus.
Auf den Wiesen sind die ehemals schottischen Hochlandrinder (falls ich mich richtig erinnere) einer Pferdezucht gewichen. Doch alles Mode und Geschäft und weniger Leidenschaft?**

Die edlen Pferde von der Dubkowmühle, © K.G.Brandler
Die edlen Pferde von der Dubkowmühle
Am Leineweber im Spreewald - die weise Alte mit ihrem Kalb.
“Am Leineweber” stand die “weise” Alte mit ihrem Kalb. Seit der Rhön gilt meine späte Liebe den urigen Rindern – und sie sind es wert!

Über Lipje/Leipe nach Lubnjow/Lübbenau sind es auf geradem – sehr geradem Weg keine 10 km. Um der Eintönigkeit zu entkommen, muss der Blick ebenfalls sehr und genau ins Grüne abtauchen. Ich versuche beim Zählen der Brücken Hoffnung zu schöpfen, aber hab ich → mit dem Kajak wirklich jemals so viele Kanäle gekreuzt?

So weit das Auge reicht: mooriges Land
So weit das Auge reicht: mooriges Land
Der slawische Urwald, © K.G.Brandler
…und slawischer Urwald

Die Füße beginnen zu brennen, einige Biker haben sich auf den Weg gemacht – klaro, Schwyzerdeutsch ist auch zu hören in dem “endlich mal Flachland”. Meine Sehnsucht nach dem Dahingleiten auf dem Wasser wächst.
Aber eins ist für mich sicher: der Spreewald ist nur bei Regen oder eben schlechtem Wetter zu genießen.

Leiper Grabenweg mit Moorbirken, © K.G.Brandler
Leiper Grabenweg mit Moorbirken. Achtung: das ist die einzige Kurve auf dem schnurgeraden Weg!
Lübbenau eingepackt
Lübbenau eingepackt

* SUP: Stand Up Paddling und: die sorbischen Ortsnamen wie Bórkowy/Błota für Burg/Spreewald usw. sind zwar vor Ort, aber schon nicht mehr auf den heimischen Internetseiten zu finden – traurig, traurig.

** Biosphärenreservat bedeutet Fauna-Flora-Habitat-Schutz in der einmaligen Kulturlandschaft Spreewald. Die Wiesen-Splitterflächen zu pflegen oder mit nur wenigen Tieren zu beweiden, kostet Mühe und ist ein Zuschussgeschäft. Dann auch noch Hof und historisches Bauernhaus? Da bleibt schnell nur ein Freilichtmuseum mit drei altwendischen Bauernhöfen übrig, zumal der Tourist neben sauren Gurken etc. in der Regel auch Wellness erwartet.

Spreewald-Moderne, 12.7.2018, © K.G.Brandler
Spreewald-Moderne. Diese Bauhausgewächse sollen wohl nach Heuschober aussehn. Und alles andere ist nun mehr als pflegeleicht.
Das möchte der Touri nicht, 12.7.2018, © K.G.Brandler
Sieht nach Arbeit aus, die über den Kopf wächst und das sogenannte Unkraut gleich mit. Das möchte weder der Touri noch der beamtete Kultursachverständige – denk ich so.
Brückenbau Leipe, 12.7.2018, © K.G.Brandler
Brückenbau – wo gehobelt wird, fallen Späne und Bäume bis alles nach 0-8-15-Kurort aussieht wie die Dammstraße Lübbenau ohne Fließe

Schreibe einen Kommentar