Stillgewässer mit Schuss

16.01. 2019, 15 km mit Eckhard Knauer, WSV Rotation Berlin. Ab Melchow zum Großen Samithsee, an seinem nordöstlichem Ufer entlang und Richtung Nord zum Walpurgisbruch, am ehemaligen Flugplatz entlang gehangelt bis Finow

 

Trügerisch still: die Wege zu den Stillgewässern

Barnim, Forst zwischen Melchow und Eberswalde
Das Versprechen – Requiem auf den Wald

Östlich von Melchow verlaufen die gewöhnlich gewählten Wanderrouten Richtung Nonnenfließ, Spechthausen, Schwärze, Eberswalde. Wir gehen westlich der Bahnlinie.
Der offizielle Wanderweg aus Richtung Biesenthal – gelber Strich auf weißem Grund – ist hier mehr oder weniger ein ziemlich gerader Forstweg. Eigentlich für Radler.

Barnim, Forst zwischen Melchow und Eberswalde
Der Forst zwischen Melchow und Eberswalde

Dabei ist dieses Waldgebiet wie gemacht zum Streunen: eine Hügelkuppe an der anderen. Ideal für kleine Menschen mit kurzen Beinen. Verspielen die Minimenschen sich nun nicht zwischen den Minibergen, sind es keine 5 km zum Kleinen und Großen Samithsee.

Verlandung im Bereich Kleiner Samithsee
Verlandung im Bereich Kleiner Samithsee

Ein einzelnes Reh taucht ab. Vielleicht in den Grusegrund – mitten im Wald ist topographisch selten alles genau zu bezeichnen. Wir gehen gesittet, wenn auch nicht ganz nach der öden Markierungsstrecke und dankbar mit Führung, denn: ungewollt sind wir umzingelt. In allen Richtungen Autos wo keine Autos sein dürften. In Brandenburg ist Jagdsaison. Ein einzelner Schuss. Keine Täuschung.

Ansprechen der Wanderer, Forst zwischen Melchow und Eberswalde
Drückjagd mit falschem Ansprechen der Wanderer

Vom Ansitz wildes Winken. Es tönt unfreundlich: „…verschwindet – wir sind auf Pirsch…“ Hä? Weit und breit kein Hinweis. Wir sitzen nur wenige Meter entfernt vom asphaltierten Querweg und den überwachsenen Gleisen einer militärischen Anschlussbahn zum Flugplatz Eberswalde-Finow.

Bewegungsjagd, Forst zwischen Melchow und Eberswalde
Offensichtlich wenig los

Sowieso möchten wir aber weiter. Am Luch sitzt bereits wieder fest genagelt eine orangene Jacke.

Der Große Samithsee

nordöstliches Ufer Großer Samithsee
Nordöstliches Ufer Großer Samithsee

Das Naturschutzgebiet Samithsee ist ganz im Wald gelegen. Erlen, Birken, Kiefern-Buchenwald: ein breites, wildes und reich strukturiertes Luch mit Feuchtwiesen, Feuchtwäldern und Fließen hindert näheres Betrachten. Nichts gefrostet, um darüber zu schlittern – also bricht auch niemand ungewollt ein ;)) bis wir den See erreichen.

Biberfraß am Samithsee
Nachhaltig ringeln, leider immer die falschen Bäume. Wär wohl eine Erle geworden so wie das rötliche Holz aussieht…

Die Ufer an der Nordostseite sind teilweise steil. Von hier gelingt aber der Blick auf den See. Die Artenvielfalt von Fauna und Flora bleibt zu dieser Jahreszeit ein Geheimnis. Nur der Biber lässt grüßen und hält wohl gerade ein Mittagsschläfchen.

Samithsee
Abschiedsblick Großer Samithsee

Kunstraum Baum

Kunstgalerie Baum
Farbakzente
graue Flechten
Der kleine Rentierwald
Krustenflechten
Krustenflechten: Naturteppich

Das Walpurgisbruch

Walpurgisbruch
Walpurgisbruch, einstiges Angelgewässer – vielleicht wird auch nur der Frühling erwartet

Auf drei meiner Karten ist das Walpurgisbruch nicht bezeichnet, schlicht zu klein. Also bin ich hier doch noch nie herum geirrt nach einem gangbaren Weg.

Walpurgisbruch
Walpurgisbruch künstlich eingedämmt zu Teichen

Die im Internet als verwunschen angeprieseneTeichlandschaft ist zwar still, aber zu wenig ursprünglich wirkende Natur, um zu begeistern. Alles relativ junger Bewuchs. Die Photovoltaikanlage auf dem ehemaligen Militärstandort schimmert durch die Bäume.

Walpurgisbruch
Walpurgisbruch, am Rand relativ jung naturnaher Laubmischwald wie bisher im Forst vorherrschend: Buche, Birke, Kiefer.

Ein kurzes Picknick, dann über kleine Abgründe einer erst halb von der Natur zurück eroberten Müllkippe, quer durch wahrscheinlich das einst ganz natürliche Walpurgisbruch am ehemaligen Flugplatz Eberswalde-Finow vorbei. Wir gehen (deswegen gehen wir hier mit) einen kaum gangbaren Pfad.

Feuchtbiotop Nähe Walpurgisbruch
Feuchtbiotop, Rest vom Walpurgisbruch und/oder kleine, einstige Tongruben, irgendetwas Zerstörerisches jedenfalls

Mensch und Natur

Altlast
Altlast

Der Mensch stellt zu allen Zeiten den größten Einflussfaktor auf unsere Umwelt dar, auch wenn irgendwann das Gras darüber gewachsen ist. Die Erde vergisst nicht.

Das alte Flugplatzgelände Eberswalde-Finow
Zwischen Krieg und Frieden: das alte Flugplatzgelände Eberswalde-Finow

Wir landen am Sammelplatz der Jagd. Da liegt die Beute des einzig abgegebenen Schusses auf dem Bett von Brüchen. Wahrscheinlich war der Hund sogar besser als der Jäger. Brauchtum mit Jagd- und Parforcehorn, Hut vor dem Herzen. Als Unbeteiligte (wenn ich von meiner eventuellen Mitschuld als Teil einer verhindernden Wandergruppe absehe – oder waren wir vielleicht sogar die einzig erfolgreichen Treiber???) bezweifle ich, dass diese Beute stolz machen kann. Ein einziges Schmalreh, kein Stück Schwarzwild. Auch die Wölfe sollen Schuld haben.

Kehlbiss
Kleines dummes Reh, das hatte noch nicht „Bambi“ gelesen

Na gut, damit hat die freundlich Auskunft gebende Männergesellschaft teilweise Recht: Wanderer würden sich nicht an Warn- und Schutzschilder halten. Zumindest nicht die, die einmal drin sind im Gebiet, die müssen auch durch. Aber: Kommt nicht der Gedanke, es könnte nicht mehr genügend Rehwild geben in diesem kleinräumigen Revier? Die jungen Buchen, die zur Leibspeise des Rehwilds gehören, stehen prächtig im roten Laub.
Das Schwarzwild allerdings – verwandt mit unserem intelligenten Hausschwein – hat sich wohl schlauer als “fuffzehn Mann, jeder auf seiner Kiste” (frei nach Stevensons Schatzinsel) mit sichererem Instinkt in den riesigen Komplex von Feuchtbiotopen verzogen.

Halali. Collage
Halali (Panorama-Collage aus 2 Fotos, mit Dank an Regina Stauch). Im Hintergrund kein See, sondern die Photovoltaikanlage

Meine Gedanken kreisen um die Ernährung der rasant wachsenden Menschheit, unseren Fleischkonsum. Eine Halbtagswanderung wie die heutige gehört mit mindestens drei Proviantpausen (ohne Beten – gib uns unser täglich Brot…) nicht in die Rubrik Fastenwanderung. Meine selten gestillte Vorliebe für Wild hat mit der offensichtlichen Seltenheit der Tiere des Waldes gelitten. Im Silicon Valley wurden bereits ein bis zwei Fastentage eingeführt: zum Ankurbeln des Gehirns. Und an diesem Samstag wird in Berlin demonstriert: Wir haben es satt! Der Agrarindustrie den Geldhahn abdrehn. Es gibt immer auch Infostände zum Überdenken der gängigen Argumente für die Jagd.

Samithsee und das Luch gehören zum NSG Finowtal, in das eine → ähnliche Wanderung führte.

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